Hip-Hop hat den Club verlassen. Im Publikum wächst eine Generation heran, deren Lese- und Hörerwartungen selbstverständlich von Hip-Hop geprägt sind. Hip-Hop ist Teil des Bildungskanons geworden.
Aber wissen das die Leute, die den kulturellen Betrieb prägen? Ein Beispiel: In Zadie Smiths bahnbrechendem Roman „N-W“ weist das deutschsprachige Feuilleton eigentlich nur auf die Bibelzitate hin. Dass sich die Autorin durch die HipHop-Classics zitiert, wird einfach übersehen. Lost in translation? Oder ein absichtlich erzeugter toter Winkel? Denken die Instanzen, die unser kulturelles Leben prägen, immer noch, dass Rap keine Musik ist, sondern ein sozialer Brennpunkt?
An 3 Abenden darf ich in der Alten Schmiede in Wien mit hochgeschätzten Kollegen und Kolleginnen der Frage nachgehen: Welchen Einfluss hat Rap auf die deutschsprachige Literatur.
Donnerstag, 10.12.2020, 19 Uhr: Robert Prosser & Esra und Enes Özmen aka Esrap
EsRap erzählen von ihrem Alltag im internationalen, von der Diaspora geprägten Grätzl. Sie erzählen vom Aufwachsen in der Zimmer-Küche-Wohnung, besingen die Träume der »Käfigkinder«. Esra Özmen hat Kunst studiert und ist die erste diplomierte Rapperin Österreichs. Musikalisch ist auch der orientalische Musikstil der Arabeske wichtiger Einfluss – sie ist, wie Hip-Hop, die Musik der Arbeiterklasse, erzählt von einem Leben zwischen Schmerz, Aufstiegsträumen und der Suche nach einem Ventil.
Gut vorstellbar also, dass Karim, Lorenz, Idris, Christine und Zain im Publikum stehen, wenn EsRap performen. So heißen die Figuren, die sich in Robert Prossers Roman Gemma Habibi in Ottakring dem olympischen Boxkampf widmen. Nur der Boxring zählt. »Religion bleibt draußen, Nationalität bleibt draußen, Politik bleibt draußen.« Im Roman selbst allerdings wird von dieser ausgeklammerten Welt erzählt: Krieg, Flucht, Suche nach Glauben und Identität. Beim Training hören sie Musik: WuTang, Deichkind, Haftbefehl, Nneka, Raf Camora, …
Montag, 14.12.2020, 19 Uhr – Yasmin Hafedh aka Yasmo, Team MYLF
Wir wissen, um den Zustand der Gleichberechtigung im Rap. Zumal die Medien, wenn sie sich mit HipHop beschäftigen, am liebsten darüber reden. Als Gegenprogramm war an dieser Stelle ein Abend mit Königinnen geplant: die Lyrikerin Nora Gomringer trifft auf die Rapperin Sookee, die sich gerade in die Rapperin Sukini verwandelt hat, und auf die Rapperin und Spoken Word Poetin Yasmin Hafedh aka Yasmo. Aber natürlich: Pandemie!
Reisen ist grad nicht. Wie gut, dass Yasmin Hafedh und die Moderatorin Mieze Medusa (yes, that’s me) auch ein Slam-Team haben. Wie wir heißen? MYLF – Mothers You’d Like to Flow with. Wenn das nicht perfekt zum Schwerpunkt passt!
Donnerstag, 17.12.2020, 19 Uhr: Slammer, Dichter, Weiter – Das HipHop Special
Schon lange vor „Ist das Kunst oder kann das Rap?“ hat Markus Köhle rapnahe, lyrische Stimmen in die Alte Schmiede gebracht. Bei „Slammer. Dichter. Weiter“ reagieren Spoken Word Poet*innen auf österreichische Lyrik. Jetzt gibts ein Hip-Hop Special!
Parkwaechter Harlekin und Sarah Anna Fernbach werden von Markus Köhle mit bahnbrechenden Frühwerken der österreichischen Hip-Hop-Szene konfrontiert. Die beiden wählen aus und reagieren auf ihre Art und Weise darauf. Wie der Ursprungstext weitergeschrieben wird – ob als Antwort, Übersetzung oder Fortsetzung – bleibt ihnen überlassen. Der Rest des Abends wird mit Texten aus dem Repertoire bestritten.
http://slamdichweiter.backlab.at/
Check it out!
Robert Prosser, Gemma Habibi, Ullstein fuenf
Esrap, Tschuschistan, Springstoff
Nora Gomringer, Gottesanbieterin, Voland & Quist
Sukini, Schmetterlingskacke, Universal Music